Unsere Trauerreise 2025

6 Tage, 7 Kids – auf einem Bauernhof im Havelland
Montag um 10 Uhr soll es losgehen. Die Neun- bis 12-Jährigen stehen bereits startklar um 09:30 Uhr im Hof unserer Potsdamer Beratungsstelle.
Im Gepäck haben sie nicht nur Kleidung für alle Wetterlagen, sondern auch ein tiefes Gefühl der Trauer über den Tod eines Elternteils.
Bei allen Kids waren vor einiger Zeit Mama oder Papa an einer schweren Krankheit oder bei einem tragischen Unfall gestorben.
Die Kids waren ein wenig aufgeregt und gespannt darauf, wie es sein wird, 100 km von zuhause entfernt fast eine Woche lang mit unbekannten Gleichaltrigen zusammen zu sein und mit ihnen über ihre tiefsten und heftigsten Gefühle sprechen zu sollen.
Fünf Erwachsene im Alter zwischen 20 und 70 Jahren begleiten und leiten diese Reise. Davon sind zwei von ihnen im Rahmen ihres Ehrenamts dabei.
Bereits während der Autofahrt kommen sie gut miteinander ins Gespräch, schnell bilden sich Zimmergemeinschaften, obwohl sie sich größtenteils nicht kennen. Demnach waren bei der Ankunft auf dem Bauernhof die Räume schon verhandelt – auch wenn am nächsten Tag nochmals problemlos getauscht wurde, weil sich andere Freundschaften herausgestellt hatten. Nur die Jungs hatten keine Wahl, sie teilten sich ein Dreibettzimmer.
Zunächst begrüßten Bäuerin, Bauer und August, der Hofkater, die neuen Gäste und luden für den Nachmittag zu einer Hof- und Weidenführung ein. Dabei wurden Hühner, Pferde und Schafe zum Teil namentlich vorgestellt und die Organisation eines Biobauernhofs erläutert.
Struktur, Vertrauen und Kreativität
Die nächsten vier Tage hatten eine feste Ablaufstruktur. Nach dem Frühstück fand in einer großen Scheune ein gemeinsamer Morgenkreis statt, bei dem die Kids erzählen durften, was sie erwarten, wie sie sich fühlen, worum sie sich sorgen oder was sie befürchten.
Vom ersten Moment an waren die Erwachsenen überrascht, wieviel Vertrauen und Respekt die Kids vor- und miteinander hatten.
Im Anschluss an den ersten Morgenkreis wurden die verschiedenen Kreativangebote, die in den kommenden Tagen genutzt werden dürfen, vorgestellt.
Als zentrale Aufgabe galt die Ausstattung eines eigenen persönlichen Rückzugsortes. Dazu standen jedem Kind ein großer Schuhkarton sowie jede Menge Ausstattungsmaterialien wie Stoff- und Tapetenmuster, Fußbodenbeläge zur Verfügung, die von einer befreundeten Innenarchitektin gesponsert worden waren.
„Und wenn ich zuhause mal meine Ruhe haben will, dann sag ich meiner Mutter oder Schwester einfach: ‚Lass mich, ich gehe jetzt mal in meinen Karton!“
An den folgenden Tagen wurde im Rahmen des Morgenkreises zu den Themen Trauer, Erinnerungen, Kraftquellen – „Was hilft mir, wenn ich traurig bin?“ – und dem nach dem Tod veränderten Familienleben gearbeitet.
Freizeit, Gemeinschaft und Leichtigkeit
Nach dem Mittagessen begann die einstündige Chillzeit, zu der die am Vorabend eingesammelten Smartphones wieder ausgeteilt wurden. Selbstverständlich waren die Erwachsenen stets online für die Elternteile der Kids erreichbar.
An den Nachmittagen konnten sie weiter an ihren „Räumen“ basteln, eigene Kerzen gießen, in Begleitung eines Rettungsschwimmers im Uferbereich der Havel baden, Perlen zu Freundschaftsarmbändern auffädeln. Dies taten die drei Jungs deutlich ausgiebiger als die Mädchen – „Das haben wir noch nie gemacht“ – und zeigten stolz ihre geschmückten Handgelenke.
Nach einem Nachmittagssnack bestiegen alle die Ladefläche eines landwirtschaftlichen Anhängers und machten eine Treckerfahrt zu umliegenden Weideflächen des Bauern, dem insgesamt über einhundert Rinder gehören. An einem der anderen Nachmittage stand eine klassische Schnitzeljagd auf dem Programm.
Nach dem Abendessen wurden nochmals für eine Stunde die Handys ausgeteilt und die Abende klangen bei durchweg feinstem Sommerwetter im Freien mit Toben auf Strohballen, Streicheln der friedfertigen Tiere, Gesellschaftsspielen am großen Gemeinschaftstisch oder Gesprächen beim Lagerfeuer aus.
Es war eine wunderschöne Zeit und das Zitat einer 10-jährigen Teilnehmerin fasst es hervorragend zusammen:
„Also ihr sagt immer, wir wären auf einer Trauerreise. Könnt ihr euch nicht mal einen anderen Namen überlegen?
Wir hatten so viel Spaß und es war überhaupt nicht traurig!“